Ein ängstlicher Tierheimhund zieht ein!

Viele Tierheimhunde kommen inzwischen aus dem Ausland. Die meisten von ihnen hatten bislang kein behütetes Leben, wuchsen oft auf der Straße auf oder lebten völlig isoliert auf einer Finca. Entweder hatten sie so gut wie gar keinen Menschenkontakt oder sie machten sehr schlechte Erfahrungen mit den Menschen.
Das gleiche gilt auch für Hunde, die von so genannten „Vermehrern“ kommen. Hunde, die nur zur Zucht und wegen des schnellen Gewinns ihr Dasein fristeten.

Diese Hunde kennen fast gar nichts. Ein Leben in einem „normalen“ Haushalt ist ihnen völlig fremd. In der Regel sind sie ängstlich und sehr zurückhaltend bei Menschen, wobei die Männer aufgrund ihrer Statur und tieferen Stimme es natürlich noch schwerer haben, ihr Vertrauen zu gewinnen.

Oft setzen die Menschen viel zu viel voraus und meinen, dass ein Hund sofort merken muss, dass man es ja jetzt gut mit ihm meint. Doch schlechte - oder gar keine gemachten Erfahrungen – sitzen tief und werden nicht von „heute auf morgen“ einfach vergessen. Das bedarf oft jahrelangen, besseren Kennenlernens.

Immer wieder erlebt man leider, dass diese Hunde aus Unachtsamkeit in ihrem neuen Zuhause entlaufen. Sie einzufangen gestaltet sich mehr als schwierig und die Dunkelziffer der Hunde, die man nie wieder findet, ist sicherlich höher als vermutet.

Man könnte den Hunden ein solches Schicksal ersparen, wenn man schon im Vorfeld einige Dinge beachtet:

•    Besorgen Sie für den Hund bereits vor der Abholung ein Sicherheitsgeschirr. Aus Halsband und „normalen“ Geschirren windet sich ein Hund, der das will, auch schnell heraus. Dieses sollten die Hunde nach Möglichkeit die ersten Wochen anbehalten – auch im Haus!

•    Befestigen sie am Geschirr eine dünne und leichte – aber nicht zu kurze – Führleine, die auch die erste Zeit nicht abgenommen wird. So hat man schnell Zugriff zum Hund, ohne ihn zu sehr bedrängen zu müssen.

•    Achten Sie besonders beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto, dass der Hund gut gesichert ist. Ein nicht gesicherter Hund ist schneller aus dem Kofferraum heraus, als Sie die Kofferraumklappe überhaupt oben haben.

•    Beim Hineingehen ins Haus/Wohnung leinen Sie ihn erst ab (bzw. lassen Sie die Führleine fallen), wenn die Tür nach draußen geschlossen ist.

•    Lassen Sie ihn die ersten Wochen niemals unbeaufsichtigt in den Garten, auch wenn dieser eingezäunt ist. Sie wissen nicht, welche Tricks ein ängstlicher Hund hat, wenn er flüchten will. Er kann Hürden überwinden und auch Schlupflöcher finden, an die Sie niemals im Entferntesten gedacht haben.

•    Machen Sie die erste Zeit nur Spaziergänge in einer ruhigen Umgebung und nicht dort, wo viele Menschen sind und eine hohe Geräuschkulisse herrscht, die Ihren Hund völlig irritieren kann.

•    Die Spaziergänge sollten zur Eingewöhnung immer gleich sein. Veränderungen der Runden können Sie später immer noch vornehmen.

•    Was der ängstliche Hund zunächst braucht, ist ein möglichst routinierter und gleich bleibender gewohnter Tagesablauf. Es erleichtert ihm die Eingewöhnung.

•    Laden Sie nach Möglichkeit nicht gerade in der ersten Zeit viele Menschen zu sich ein. Der Hund braucht Zeit, um sich erst einmal an die Personen zu gewöhnen, die zum festen Umfeld gehören.

•    Bieten Sie die erste Zeit dem Hund nicht gleich das ganze Haus/Wohnung zum unkontrollierten Umherlaufen an. Er findet sonst nicht seinen Platz Erweitern Sie lieber nach und nach den Wirkungskreis.

•    Der Hund braucht einen festen Rückzugsort (Körbchen/Decke). Dieser sollte nicht offen sein, sondern möglichst in einer ruhigen Ecke liegen, wo nicht ständig jemand vorbei läuft und er auch nicht in Kontrollzwang gerät, weil er alles im Blick hat.

•    Bedrängen Sie ihn nicht ständig, weil er vielleicht anfangs nicht von alleine den Kontakt sucht. Setzen Sie sich vielleicht einfach eine Weile zu ihm - ohne ihn anzufassen, nur dass er einfach Ihre Nähe genießen lernt. Sie können ihn auch streicheln, wenn er sich dabei nicht völlig versteift. Schauen Sie ihn dabei nicht an (sonst fixieren Sie ihn eher), setzen Sie sich eher daneben.

•    Wenn Sie ihn rufen oder locken, machen Sie sich klein, gehen Sie in die Hocke. So wirken Sie auf ihn nicht einschüchternd und gefährlich. Statt ihm dabei in die Augen zu schauen, was für ihn eher fixieren bedeutet, sehen Sie leicht an ihm vorbei. Das kommt beim Hund eher als Beschwichtigungssignal an.  Vermeiden Sie es überhaupt, sich über ihn zu beugen. Das alles sind Gesten, die eher bedrohlich auf den Hund wirken.

•    Wenn Sie auf Spaziergängen merken, dass ein entgegenkommendes Fahrrad oder eine Menschengruppe bei Ihrem Hund Angst hervorruft, weichen Sie dem Gefahrenpunkt aus, gehen Sie so weit wie möglich an die Seite, so dass ein großer Abstand zum „Angstauslöser“ entsteht und der Hund sich somit sicherer fühlt. Sie bleiben dabei einfach neben ihm stehen. Wirken Sie keinesfalls mit Streicheln oder Umarmen auf ihn ein, denn damit bestärken Sie nur seine Angst. Sie müssen sicher wirken, damit der Hund merkt, dass er keine Angst haben muss.

•    Lassen Sie einen Angsthund niemals von der Leine - erst wenn Sie ganz, ganz sicher sind, dass er sich nicht erschrickt und panisch davonlaufen könnte. Unter Umständen kann das bedeuten, dass er niemals von der Leine kann. Um dem Hund und sich mehr Freiheit zu gönnen, nutzen Sie in diesem Fall eine Schleppleine; damit gehen Sie auf Nummer sicher und haben so immer Zugriff auf den Hund. Aber auch die Nutzung einer Schleppleine sollte erst nach Wochen erfolgen, wenn die Bindung zwischen Ihnen deutlich besser geworden ist.


•    Viele Eindrücke kommen allein durch Ihre Körpersprache bei dem Hund an. Haben Sie Angst, dass etwas passieren kann, hat der Hund sie erst recht. Sind Sie nervös, ist er es auch.

•    Das ist sicherlich nicht leicht, weil nicht jede Situation vorhersehbar ist. Darum ist es wichtig, einen kompetenten Hundetrainer zu finden, der Ihnen und Ihrem Angsthund dabei hilft, schwierige Situationen zu meistern.

Nur wenn Sie sich dieser Probleme und Widrigkeiten bewusst sind und diese ernsthaft und konsequent angehen wollen und können, sollten Sie die Entscheidung treffen, sich um einen „Angsthund“ aus dem Tierheim zu bemühen. Nur dann werden Sie und Ihr Hund – früher oder später - gemeinsam glücklich und ein gutes Team!